Another World im Retro-Special: Lesters tausend Tode - Amiga-Meisterwerk im Rückblick [mit Video]
Der bockschwere und visuell atemberaubende Amiga-Videospielehit Another World, entwickelt von Éric Chahi und dem französischen Games-Studio Delphine, feiert 2021 sein 30. Jubiläum. Passend zum großen Geburtstag blicken wir in diesem Retro-Special zurück auf das Meisterwerk von 1991, das selbst heute noch zum Staunen einlädt - und zum Verzweifeln.
Manchmal stößt man auf Videospiele, die man nach nur wenigen Minuten sofort in eine Zeitschublade schieben kann. Entweder liegt das am damals typischen Grafikstil, an altbackenen Gameplay-Konzepten, auf die man heute nicht mehr zurückgreifen würde, oder schlicht am technischen Zustand. Bei manchen Spielen fällt das aber ziemlich schwer.
Eines solcher Werke ist das im Alleingang von Éric Chahi entwickelte Another World. Das Action-Adventure von 1991 beeindruckte mit aufwendig inszenierter und hübsch animierter 2D-Polygon-Grafik, penibler Sorgfalt und einer bockschweren und kinoreifen Flucht von einem fremden Alien-Planeten.
Wir blicken in diesem Retro-Special auf den 30 Jahre alten Amiga-Klassiker (Lust auf den Amiga 500 Mini?) zurück, der seit seinem Release beinahe jede existente Spieleplattform sowie unzählige Spielerherzen erobert hat.
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Ein interaktives Sci-Fi-Autorenwerk im Alleingang
Spieleproduktionen sind heutzutage ein riesiger Team-Aufwand, der mehrere Jahre Zeit in Anspruch nimmt. Doch das war nicht immer so. In den 80ern und 90ern galten Videospielentwicklungen oftmals als Autorenwerke, die einzig auf den Schultern einer einzigen Person entstanden sind. So auch das filmreife Sci-Fi-Abenteuer Another World (jetzt kaufen 19,95 € ), an dem über zwei Jahre lang beim französischen Entwickler Delphine getüftelt wurde. Der Mann hinter dem Projekt war der Pariser Game Designer Éric Chahi, der besonders durch seine kreativen Animationen für das 1989 veröffentlichte Future Wars: Time Travellers auf sich aufmerksam machte - ebenfalls von Delphine Software entwickelt.
Quelle: PC Games
Kurz nach dem Release des Point&Click-Adventures begann Chahi an der Arbeit zu seinem ersten eigenen Spiel, das sich im Lauf der Zeit als äußerst revolutionär und ausgefallen herausstellen sollte. Zum einen war Another World eines der ersten Spiele mit vektorbasierter 2D-Polygon-Grafik, also einer Grafik, die sich aus einfachen geometrischen Formen zu einem Gesamtbild zusammensetzt. Die erzeugt selbst heute noch ein eindrucksvolles Gefühl von räumlicher Tiefe. Zum anderen war das Herzensprojekt des jungen Franzosen eines der ersten Videospiele mit vollanimierten Zwischensequenzen und einem aufwendig gestalteten Intro.
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Dabei legte Chahi einen solch peniblen und filmischen Anspruch an den Tag, dass das Spiele-Intro allein knapp sechs Monate in Entwicklung war! Ebenso detailverliebt präsentiert sich die gesamte Bildkomposition des knapp zwei- bis dreistündigen Abenteuers. Egal ob es die oftmals reduzierte Farbauswahl oder diverse clevere Design-Entscheidungen sind, was Another World so einzigartig und herausragend machte, war schlicht die visuelle Pracht des Amiga-Titels. Egal was wir auf dem Bildschirm sehen, alles wird durch polygonale Formen dargestellt und fühlt sich durch die flüssige Präsentation an wie ein Zeichentrickfilm der alten Schule.
Quelle: PC Games
Darüber hinaus wird so ein Pseudo-3D-Effekt kreiert, der immer wieder Vorder- oder Hintergründe als zusätzlichen Schauplatz hinzufügt. Doch was wären schöne Sequenzen und Bilder ohne Zusammenhang. Another World hat natürlich auch eine packende Geschichte, die uns in eine unbekannte Alien-Welt entführt, die mit Brutalität und ständiger Todesangst daherkommt.
Vom Labortisch ins unabdingbare Verderben
Another World verzichtet beinahe komplett auf Wörter, gibt nur wenige Infos zum Geschehen und spart sich sogar ein damals typisches Interface. Selbst der Name unseres rothaarigen Protagonisten, Lester Knight Chaykin, wurde erst durch das Spielhandbuch der SNES-Version enthüllt. Der junge Wissenschaftler fährt in einer stürmischen Nacht in seinem Ferrari 288 GTO zu seinem Labor, um an einem Experiment rund um atomare Teilchen und Magnetfelder zu werkeln. Doch durch einen Blitzeinschlag verfrachtet es Lester schlagartig in eine fremde und unbekannte Welt, die weitaus mehr Tücken bereithält, als ihm das lieb sein dürfte.
Quelle: PC Games
Fortan kämpft Lester ums nackte Überleben. Neben Alien-Würmern, einer Kreatur, die einzig mithilfe von drei Farbtönen dargestellt wird und einer hochentwickelten Alien-Rasse strotzt Lesters neuer Aufenthaltsort voller brutaler Gefahren, die in jeder Ecke des Planeten lauern. Doch es gibt auch Hoffnung. Zum einen kann sich unser Protagonist nämlich auf seinen Scharfsinn und Intellekt verlassen, der ihm mehrfach aus der Patsche hilft. Zum anderen stoßen wir im Retro-Sidescroller ziemlich früh auf einen Alien, der uns weitaus freundlicher gesinnt ist, als das bei seinen Kollegen der Fall ist.
Quelle: PC Games
Im Verlauf werden uns keine Erklärungen oder gar tiefe Einblicke preisgegeben, stattdessen wird vieles nur angedeutet. Warum hilft uns der Fremde? Wieso haben es die unbekannte Welt und ihre Bewohner so auf uns abgesehen? Unsere Fantasie ist ein gravierendes Element in Another World, das die Flucht und Reise von Lester und seinen Kumpanen zu einem packenden Sci-Fi-Werk machen.
Eine Warnung müssen wir aber unbedingt aussprechen: Der Sci-Fi-Trip ist aber nichts für jeden. Neben Begriffen wie revolutionär, filmreif und herausragend ist Another World nämlich auch bockschwer und ziemlich frustrierend.
Spiel den gleichen Frust nochmal!
In der Originalfassung von 1991 ist Another World bereits ein zermürbendes Unterfangen, in den später folgenden Versionen hat Chahi sogar in Bezug auf den Härtegrad eine Nummer draufgesetzt. Eine der großartigsten Szenen des Action-Adventures ist, wenn Lester durch einen Lüftungsschacht krabbelt. Für die späteren Konsolen-Releases, unter anderem die Mega-Drive-Version, fügte der Franzose nämlich Dampfdüsen hinzu, die falsch getimed zum Tod führen.
Quelle: PC Games
Viele der Bedrohungen, die uns im Abenteuer erwarten, sind kaum vorherzusehen und so muss man mehrfach sterben, um der Lösung schrittweise näherzukommen. Und mit mehrfach sterben meinen wir richtig häufig auf brutale Art und Weise verrecken. Besonders heutzutage gilt Another World als ein äußerst spielerunfreundliches Werk.
Als wäre das nicht schon niederschmetternd genug gibt es auch noch häufig das Problem, dass Checkpoints unverschämt gesetzt sind. Wer Another World selbst gespielt hat, der erinnert sich vielleicht an das nervige Höhlensystem, das wenig später überflutet gleich nochmal als Szenerie genutzt wird. Wer sich hierbei nicht an den eigentlich von Chahi ausgedachten Ablauf hält, der verpasst Speicherpunkte und wird so in eine nicht enden wollende Spirale aus Frust und Wutanfällen geworfen, an deren Ende man am liebsten das Gamepad fressen würde.
Simpel zu lernen, schwierig zu meistern
Dabei setzt Lesters Ausflug in die Fremde auf eine intuitive und, vor allem damals, ziemlich clevere Steuerung, bei der wenige Tasten mehrfach Verwendung finden. Unser Knopf fürs Sprinten ist, soweit wir Stillstehen, auch der Knopf zum Angreifen. Zu Beginn beschränkt sich das auf simples Treten, womit wir die anfangs erwähnten Alien-Würmer zerstampfen können. Später, sobald wir unsere Laserpistole erhalten haben, dient derselbe Knopf für gleich mehrere Schussmöglichkeiten. So können wir beispielsweise einen Laserschild erschaffen, der uns vor Angriffen schützt. Ebenso ist es uns möglich, mit einem aufgeladenen Schuss Wände und Türen zu zerstören.
Quelle: PC Games
Das funktioniert auf dem Papier tatsächlich recht gut, wenn man aber mal im Eifer des Gefechts einen kleinen Fehler macht oder etwas zu lange zögert, dann kann man sich sicher sein: Another World wird mich dafür bestrafen. Manchmal etwas gediegener, manchmal ziemlich bösartig. Doch das unterstreicht im gleichen Atemzug die Faszination des visuell wunderschönen Sidescrollers! Wer einigen Frustmomenten nicht abgeneigt ist und Spaß daran hat, sich in ein Videospiel einzuarbeiten, der wird belohnt mit einem Spiele-Trip in eine andere Zeit und Welt, die es so kaum mehr zu genießen gibt.
Gemeine Gratwanderung und Pflichtausflug für Spiele-Fans
Man könnte jetzt behaupten, Another World war zwar damals ein fantastisches Spiel, das heutzutage aber aufgrund von gravierenden Veränderungen von Spielen aus der Zeit fällt. Und das trifft auch sicherlich bei vielen Spielertypen zu. Wer sich eine zugängliche Geschichte wünscht oder in Videospielen mehr eine unbeschwerte Flucht aus dem Alltag sieht, der sollte die Finger von Lesters Erlebnis lassen. Wer hingegen gerne tief in Videospiele, ihre Herkunft und Komplexität eintaucht, der könnte viel Freude haben am kurzweiligen Abenteuer.
Quelle: Delphine Software I Eric Chahi
Das rebellische Meisterwerk von Éric Chahi wurde über die Jahre immer wieder für diverse Plattformen, unter anderem auch für die Nintendo Switch, Xbox One und PS4, veröffentlicht. Ebenso gibt es gleich zwei Anniversary-Editionen: 2007 wurde das Action-Adventure zum 15. Geburtstag neu veröffentlicht, fünf Jahre später gleich nochmal zum 20. Jubiläum. Dabei präsentiert sich das Sci-Fi-Abenteuer mit komplett handgezeichneten Hintergründen und einer aufpolierten Grafik.
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Die wird aus unserer Sicht dem Original von 1991 aber nicht gerecht. Glücklicherweise gibt es bei den beiden Anniversary-Editionen auch eine Möglichkeit, Another World in seiner originalen Erscheinung zu genießen. Wer weiß, vielleicht verliebt ihr euch ja in Another World, wie es bereits unzählige Videospiele-Fans vor euch getan haben.
Habt ihr Another World gespielt oder noch nie vom Amiga-Hit gehört? Was sind eure Gedanken zum brutalen und revolutionären Sci-Fi-Abenteuer des jungen Wissenschaftlers Lester? Schreibt uns eure Meinungen, Gedanken und Anekdoten zum Action-Adventure von 1991 in die Kommentare!
Das rebellische Meisterwerk von Éric Chahi wurde über die Jahre immer wieder für diverse Plattformen, unter anderem auch für die Nintendo Switch, Xbox One und PS4, veröffentlicht.
Die ich übrigens grad auf Steam installiert hab (20th anniversary version). Nach dem Artikel hab ich da wieder Lust drauf bekommen. Aus meiner Sicht funktioniert das auch heute noch richtig gut und ist gut gealtert.
Vor allem der ganze Stil ist ja immer noch einzigartig.
Manchmal hab ich darüber nachgedacht, wie es wäre, wenn es ein Remake geben würde, aber ich weiß nicht, ob man dann diesen Grafikstil und so hinbekommen würde.
Kopierte Dial-a-Pirate Codescheiben (Monkey Island), AeroDork Airlines Codes (Larry Laffer), eine Original verpackte Datasette, Zak McKracken Codewüsten auf Endlospapier mit Nadeldrucker etc. etc. Sogar ein 10er Pack 8" Disketten liegt da noch mit herum. Ein Haufen Nostalgie halt bei dem es alle paar Jahre mal wieder Spaß macht rein zu schauen :)
Auch 30 Jahre alt dann. Guten Stift benutzt damals offenbar :)
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Waren das Zeiten.
Auch 30 Jahre alt dann. Guten Stift benutzt damals offenbar